Streit vor Kindern – bei diesem Thema scheiden sich die Geister. Die einen befürworten die Auseinandersetzungen. Diese meinen, nur so lernten die Kinder die Lebenswirklichkeit kennen. Sie verstehen, dass Gebote, Grenzen und Normen relativ sind und dass alles miteinander ausgehandelt wird. Andere halten das für eine Überforderung. Sie streiten sich gar nicht vor dem Kind und vermeiden Spannungen – aber nur scheinbar.

Ist Streiten etwas Gutes? Wenn Kinder Eltern streiten sehen, erschreckt sie das? Ist es besser, Konflikte zwischen den Eltern so zu bereinigen, dass Kinder nichts davon mitbekommen? Ist das überhaupt möglich?
Diese und viele andere Fragen treten beim Thema „Streit zwischen Eltern“ auf. Es ist eines der Beziehungsthemen, wo es grundsätzlich unterschiedliche Verfechter gibt. Die einen befürworten den Streit vor den Kindern, die anderen möchten ihre Kinder vor allen Konflikten der Partnerschaft bewahren.
Macht es Sinn, den Kindern eine rein und konfliktfreie Welt vorzugaukeln? Wenn Krisensituationen vermieden werden und der Streit hinter geschlossenen Türen stattfindet,
wird die Welt dann schöner? Wenn kleine Sticheleien vorherrschen oder gar nicht miteinander gesprochen wird, spüren Kinder als Erste, dass da etwas nicht stimmt. Wenn es unter der Oberfläche bereits brodelt – nur raus damit! Kinder sollten aber nicht direkt miteinbezogen werden, wenn sie in die Konflikte gar nicht involviert sind. Wenn sie ständig Streits mitbekommen, wird sie das möglicherweise auch belasten.
Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Wieder einmal gibt es kein Patentrezept, wie Eltern in angespannten Situationen am besten handeln. Auch Kinder reagieren individuell unterschiedlich, wenn sie den Konflikten der Eltern direkt oder indirekt ausgesetzt sind.

Streit als positives Signal

Auseinandersetzungen gehören zum Leben dazu. Menschen haben unterschiedliche Auffassungen und müssen miteinander einig werden. Das geht manchmal nur über einen Streit – da hilft nicht immer „ruhig darüber reden“. Je unterschiedlicher Interessen, Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche sind, umso mehr Reibungsflächen gibt es.
Auch Kinder wissen das früh, dass ihre Wünsche und Vorstellungen nicht mit denen der Eltern im Einklang sind – jedenfalls nicht immer. Sie erleben, wie Spannungen auftreten und dass sie gelöst werden müssen, damit sich alle Beteiligten wieder wohlfühlen. Kinder verfügen aber noch nicht über eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie sie mit Streits umgehen können. Besonders kleine Kinder haben nur die Handlungsalternativen: Weinen oder Toben.
Anders wird das bei Kindergartenkindern – ganz anders liegt wieder die Situation bei pubertierenden Jugendlichen.
Die Überwindung der Konflikte gelingt in der Regel. Nicht immer ist die Einigung ein Schlüssel zu andauerndem Erfolg. Es braucht Zeit und Ruhe, bis sich Gefühle beruhigen und man wieder aufeinander zugehen kann. Schwierig wird es, wenn keine Lösungen gefunden werden und Unstimmigkeiten bestehen bleiben.

Auseinandersetzungen oder ständige Konfliktherde

Konflikte entwickeln sich. Emotionen wie Wut, Ärger, Zorn, Frustration, Angst und Verzweiflung stauen sich an. Anfangs können sie im Zaum gehalten werden und unterdrückt werden. Man schluckt den Ärger hinunter. Diese angestauten Emotionen verdichten sich und suchen nach einer Lösung: dem Streit. Durch meistens kleine Auslöser kommt es zu offenen Auseinandersetzungen.
Wenn diese Situationen eskalieren, jeder versucht seinen Standpunkt durchzudrücken und keine Spielregeln mehr gelten, gerät alles aus den Fugen. Manche befürworten solch ein „reinigendes Gewitter“. Ob sie weiterführen, ist die zweite Frage. Nicht immer lösen sie das eigentliche Problem. Dann kommt es zu neuen Streits. Manchmal liegen solchen andauernden Streits schwere Beziehungsprobleme zugrunde oder etwas Grundsätzliches in der Person eines Streitenden stimmt nicht.

Konfliktlösung schont die Seele des Kindes

Kinder erfahren im Laufe ihrer Entwicklung, was Streits sind und wie man damit umgeht. Wenn ein Klima des Vertrauens vorherrscht, ein grundsätzliches Gefühl von Wärme und Sicherheit, fühlt sich das Kind trotz der starken Gefühle sicher und aufgehoben. Auseinandersetzungen führen so nicht zur Verunsicherung, Verzweiflung oder Beängstigung – sie sind eine Quelle der Erweiterung des Lebenshorizonts.
Das spürt das Kind auch bei den Eltern. Wird um eine wirkliche Lösung gerungen, ist das etwas anders, als wenn ein unkontrollierter Machtkampf ausbricht. Kinder sind schon in jungen Jahren Seismografen und spüren, um welche Art der Gefühle es sich handelt, auch wenn sie sie noch nicht genau beschreiben können. Sie müssen darüber aufgeklärt werden, was genau los ist. Sonst reagieren sie mit Angst, Verunsicherung und reagieren selbst heftig. Die Folge sind zum Beispiel schlechte Träume, sich selbst schuldig fühlen etc.
Es ist wichtig zu verstehen, wie Kindern reagieren. Wenn Kinder noch in Konflikte reingezogen werden und als „Kampfinstrumente“ missbraucht werden, werden sie in die partnerschaftlichen Konflikte zu stark involviert. Kinder wollen dann helfen in Situationen, die sie nicht betreffen. Sie fühlen sich hin- und hergerissen, ihre Welt gerät aus den Fugen. Es bleiben Verletzungsspuren in den Seelen zurück.
Fazit: Erinnern Sie sich also bei Streits mit ihrem Partner daran, wie sie das Lachen ihres Kindes erhalten können – sie wollen es weiter genießen! Für ihren weiteren Lebensweg macht es einen wichtigen Unterschied, ob Kinder auf Streitvermeidung aus sind oder das Vertrauen gewonnen haben, ihren Streitpunkt beibehalten und argumentativ vorgehen zu können – trotz Spannungen also respektvoll auch mit ihren zukünftigen Partnern umgehen zu können.

Bildquelle: Konflikte lösen