Stillen ist nach wie vor beliebt: Mehr als 90 Prozent aller Säuglinge werden von ihren Müttern gestillt. Doch wer sein Baby über das erste Lebensjahr hinaus mit Muttermilch ernährt, erntet nicht selten befremdende Blicke. Langzeitstillen ist in unserer Gesellschaft ein Tabu. Wann man davon spricht – und welche Vor- und Nachteile es mit sich bringt, erfahren Sie hier.

Langzeitstillen – was ist das eigentlich? Eine festgelegte Definition dafür gibt es nicht. Weitläufig gilt allerdings die Meinung, dass man ab zwölf Monaten des Stillens von Langzeitstillen spricht. Man versteht darunter die zusätzliche Ernährung mit Muttermilch, auch wenn die Beikost beim Nachwuchs bereits eingeführt wurde.
Die Meinungen hierzu gehen weit auseinander: Während die einen es für unnatürlich halten, ihr Kind über die ersten Lebensmonate hinaus mit Muttermilch zu versorgen, halten die anderen es wiederum für die natürlichste Sache der Welt. Nicht zuletzt entscheidet oft auch das Kind selbst darüber, wann es abgestillt werden möchte: Einige Kinder verweigern schon nach einigen Monaten die Brust – andere können nicht genug davon bekommen.  

Vorteile des Langzeitstillens

Mütter schätzen am Langzeitstillen nicht nur die gesunde und natürliche Ernährung ihres Nachwuchses, sondern zugleich auch die Nähe, die dabei entsteht. Stillen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme: Es beruhigt, tröstet, entspannt – und zwar Kind und Mutter gleichermaßen. Oftmals wird Kindern auch der Einschlafprozess durch das Stillen erleichtert – wo schläft es sich schließlich besser ein, als an Mamas warmer, weicher Brust?  
Darüber hinaus erhalten Kinder über die Muttermilch wichtige Nährstoffe: Wertvolles Eiweiß, ebenso wie etliche Vitamine und Spurenelemente, die die Entwicklung des Babys positiv beeinflussen. Auch Antikörper und Abwehrzellen werden über das Stillen weitergegeben – und stärken das noch schwache Immunsystem. Langfristig sollen Stillkinder laut den Ergebnissen mehrerer Studien im Erwachsenenalter weniger häufig an Übergewicht oder Allergien leiden – und sogar das Risiko für spätere Darmerkrankungen soll dadurch sinken.  
Das Muttermilch gesund und angenehm ist für das Baby, steht also außer Frage. Doch kann es beim Langzeitstillen auch Nachteile geben?  

Nachteile beim Langzeitstillen – Gerücht oder Wahrheit?

Hartnäckig kursiert das Gerücht, dass die Muttermilch Schadstoffe enthalten könne, die insbesondere beim Langzeitstillen auf den Nachwuchs übergehen. Dass dem nicht so ist, betont auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO): Es gibt bislang keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass sich Bestandteile der Muttermilch bei Kindern nachteilig auswirken.  
Etwas widersprüchlich sind hingegen die Aussagen zur Zahngesundheit: Manche Zahn- und Kinderärzte warnen davor, dass längere Stillen –vor allem vor dem Schlafengehen – zu Karies führen könne. Entscheidend für gesunde Zähne ist jedoch in erster Linie eine ausreichende Zahnhygiene – und dass das Stillen nicht zum Dauernuckeln wird. In diesem Fall kann sich nämlich der Milchzucker tatsächlich auf die Zahngesundheit auswirken.  

Mütter bleiben eingeschränkt

Gesundheitliche Einwände gegen Langzeitstillen gibt es insoweit eigentlich nicht. Mütter, die ihr Kind über einen längeren Zeitraum stillen, sind jedoch in ihrer Unabhängigkeit etwas eingeschränkter als ihre nicht stillenden Kolleginnen: Mama ist weniger leicht ersetzbar, was nicht nur beim abendlichen Weggehen unter Freunden, sondern womöglich auch beim Wiedereinstieg in den Beruf ein Problem darstellen kann. Zwar räumt der Gesetzgeber Stillpausen während der Arbeit ein – doch die wenigsten nutzen bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage das Angebot, aus Angst, den Job zu verlieren. Hinzu kommen Vorurteile und Diskussionen, mit denen länger stillende Mütter immer wieder zu kämpfen haben.  

Erlaubt ist, was gefällt!

Solange es für Mutter und Kind jedoch gleichermaßen in Ordnung ist, zu stillen, sollten sie nicht darauf verzichten. Kinder stillen sich irgendwann von selbst ab – oder die Mütter beenden die Stillbeziehung ganz bewusst, wenn sie wieder „sich selbst gehören“ wollen. Gut tut, was zufrieden macht – auch wenn Familie und Bekannte anderer Meinung sein mögen.  

Bildquelle: Stillende Mütter