In den ersten Lebensjahren eines Kindes werden die Weichen für dessen spätere emotionale Reife und seine Beziehungsfähigkeit gestellt. Hierbei übernehmen die Eltern eine wichtige Funktion. Die innige Verbindung, die zwischen Kindern und Eltern aufgebaut wird, nennen die Psychologen Bonding. Was es mit dem Bonding auf sich hat und warum sich eine gute Eltern-Kind-Bindung nicht ausschließlich bei der Geburt entscheidet, zeigt Ihnen dieser Artikel.
Unter Bonding versteht man den Prozess der Beziehungsaufnahme zwischen einem neugeborenen Kind und seiner Bezugsperson, meistens den Eltern. Ein Mensch hat von Geburt an ein tiefes Bedürfnis, Bindungen einzugehen und sich auf seine Mitmenschen emotional einzulassen. In den ersten Lebensjahren ist dieses Bedürfnis noch zweckgebunden. Kinder brauchen ihre Eltern zum leben, weil diese ihnen Nahrung, Kleidung und Liebe schenken. Je größer ein Kind wird und je intensiver die Beziehung zu seiner Bezugsperson, desto eher ist es bereit, Liebe auch ohne Gegenleistung zu schenken.
Die wichtigste Gewissheit, die Eltern ihren Kindern durch eine enge und liebevolle Bindung schenken, ist, dass das Kind sich immer angenommen wissen kann. Egal was es tut und egal wie sein Lebensweg aussehen wird, es kann sich auf seine Eltern verlassen und sich ihrer Liebe sicher sein. Mit dieser Gewissheit ist es einem Kind dann möglich, Bindungen außerhalb des elterlichen Hauses einzugehen. Das Bonding ist somit ein wichtiger Baustein für alle späteren Bindungen, seien es Freundschaft, Liebe oder Kollegialität.
Bedeutung der Geburt richtig einschätzen
Nach wie vor romantisieren viele Eltern die Geburt. Sie denken sich, dass nur eine perfekte Geburt mit anschließendem Kuscheln und erstem Stillen eine gute erste Bindung zum Kind schaffen und somit der Grundstein für dessen Lebensweg sein kann. Das ist nicht nur falsch, sondern setzt die Eltern unter einen enormen Druck. Denn sie befürchten, dass die Beziehung zu ihrem Kind direkt gestört sein wird, wenn die Geburt schief läuft. Das ist nachweislich nicht der Fall. Zwar sind der erste Kontakt nach einer Geburt und die hierbei ausgeschütteten Hormone für die Bindung zwischen Eltern (meist Mutter) und Kind nützlich und wichtig. Doch ein Kind knüpft seine Beziehungen langfristig. Die Geburt stellt also kein unwiderrufliches Schicksal für die Eltern-Kind-Beziehung dar. Ebenso genügt es aber nicht, eine reibungslose Geburt zu erreichen. Erst und gerade danach wird die Bindung an das Kind nämlich intensiviert und vertieft.
Bonding funktioniert auch nach einem Kaiserschnitt
Aus all diesen Gründen müssen sich Mütter keine Vorwürfe machen, wenn ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt kommt. Zum einen, weil Kaiserschnitte heute nicht mehr unter Vollnarkose, sondern mit Lokalanästhesie durchgeführt werden. Das bedeutet, dass die Mutter ihr Kind nach der Geburt ebenfalls direkt auf den Arm bekommen und stillen kann. Zum anderen, weil die Beziehungsbildung zum Kind erst nach der eigentlichen Geburt abläuft.
Viele Wochenbettdepressionen und Schuldgefühle könnten vermieden werden, wenn die Frauen den Kaiserschnitt nicht als ein Versagen oder Scheitern verstehen würden. Eine natürliche Geburt hat ohne Frage viele Vorteile und unterstützt das Bonding. Doch auch nach einem Kaiserschnitt entstehen in den meisten Fällen gesunde Eltern-Kind-Bindungen, die das Kind stärken und einen wichtigen Grundstein für sein späteres Leben darstellen.
Bildquelle: Frühe Bindung zum Baby herstellen